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Also, ein Stadtzeichen ist ziemlich groß…
— Ja, ziemlich, aber für Landart sicher nicht ungewöhnlich. Landart ist groß… Berlin ist es auch.
Eine kurze Erläuterung. Stadtzeichen Berlin, das ist eine auf die Stadt projizierte Zeichnung, ein Umriss, dessen Verlauf in der Stadt mit Markierungen abgesteckt wird. Wie viele dieser Markierungen gibt es?
— Richtig. Insgesamt 30, jede bildet einen bestimmten Punkt dieses Umrisses ab. Die Abbildung des Stadtzeichens und zusätzliche Info finden sich dabei auf jeder Markierung. So wird die Größe und Orientierung der Projektion in Relation zur Stadt als Ganzem deutlich. Jemand, der auf so eine Markierung trifft, kann sich also im Verhältnis zum Stadtzeichen lokalisieren und dieses innerhalb der Stadt visualisieren.
Übrigens, … die Platzierung der Markierungen ist nicht willkürlich. Das Stadtzeichen ist als b-spline angelegt. Jede Markierung gibt also die Position eines Knotenpunktes wieder der diese Kurve definiert. Im Verhältnis zueinander sind die Punkte fix. Man konnte sich also bei der Platzierung der Markierungen innerhalb der Stadt keine Freiheiten herausnehmen. Dies hat die Durchführung des Projektes nicht unbedingt vereinfacht. Eine Markierung liegt nun z.B. auf einem Friedhof, eine andere direkt vor dem Landeskriminalamt. Das war nicht geplant sondern hat sich einfach so ergeben. Mir hat aber gefallen, dass auch solche Teile der Stadt eingebunden werden, denn ohne diese funktioniert sie ja nicht. Darum geht es, … das Funktionieren der Stadt spürbar zu machen, und auch wie man diesen Raum mit den täglichen Übungen des sich Einrichtens bespielt. Das eigentlich Phänomen ist nicht das Stadtzeichen als solches, sondern dieses ‘Spiel’ mit dem ausgewiesenen Raum… das Stadtzeichen ist ‘Unterbau’, ist Rahmen.
Was ist das für eine Zeichnung?
— Nun, sie ähnelt etwas einem anthropomorphen Einzeller, denke ich. Zuordnungen, Interpretationen bleiben letztlich aber dem Betrachter überlassen. Es trifft natürlich zu, dass dieses Zeichen (ist mir lieber wir nennen das Ding so) nicht leicht einzuordnen ist, zumal in einem von Zeichen so besetzten Raum wie der Stadt. Das provoziert auch eine gewisse Desorientierung. Durch die Projektion des Zeichens auf die Ebene der Straße wird es aber auch noch in einem geographischen Zusammenhang fassbar, … nämlich als Grenze.
Wenn ich hier kurz einhacken kann, … ‘Grenze’ wovon?
— Das Stadtzeichen ist zunächst ein Fremdkörper im Weichbild der Stadt. Es ist ‘terra incognita’, …bis man es sich aneignet, indem man es in sein Bild der Stadt einbaut. Wie dies geschieht hängt vom Betrachter ab.
Gibt es keine verbindlichere Deutung, ist das wirklich so subjektiv?
— Kunst ist subjektiv, allerdings keine Privatangelegenheit oder Privatsprache. Aber der kritische Diskurs zur Kunst, mag er noch so aufschlussrei sein, ist letztlich Überbau. Immerhin macht Kunstkritik deutlich, dass Kunst Gemeinsamkeiten in Auffassung und Wahrnehmung auf die Probe stellen kann. Konsens ist nicht erstrebenswert, …
Sie arbeiten anonym, warum?
— Mal mehr mal weniger. Beim Stadtzeichen Projekt sollte sich die ‘Öffentlichkeit’ des Projektes im Anonymen verlieren, nicht auf eine Person zurückfallen. Das Gesicht dieser Arbeit ist gewissermaßen ihr eigenes Zeichen, ein Gesicht das zentrale Bezirke der Stadt und die Menschen dort mit einschließt. Es gibt keinen Grund für den Urheber in Erscheinung zu treten. Also Anonymität ist hier auch rein formal von Vorteil.
Einmal abgesehen von den juristischen Aspekten..?
— …von diesen einmal abgesehen.
Worin unterscheidet sich dieses Projekt von anderen, wie etwa dem ‘Uffington White Horse’ oder der Landart von Jim Denevan z.B..
— Er macht diese großen abstrakten Sandzeichnungen. Seine Landschaft, Wüste oder Strand, ist da auf Grund ihrer Beschaffenheit ein idealer Malgrund. Eine Fläche füllt sich mit Strukturen, greift Raum und lässt den Betrachter schrumpfen. Aber die Zeichnung selbst wird nicht zum Zeichen, sie bleibt wie gesagt Struktur.
Mit dem weißen Pferd von Uffington ist es anders. Mit diesem Zeichen wurde ursprünglich ein sakraler oder politischer Zweck, so genau weiß man das nicht, verfolgt. Nicht zuletzt auf Grund einer moderneren, romantischen Lesart wurde das weiße Pferd im England des 18 und 19 Jahrhunderts vielfach kopiert. Dieser Umstand verweist aber schon auf den Unterschied. Die Möglichkeit einer Kopie ergibt sich aus der Beliebigkeit des Sujets. Eine situationsgebundene Arbeit, z.B. eine Installation, lässt sich nicht wiederholen, wenn diese sich auf ganz spezifische zeitliche oder örtliche Gegebenheiten bezieht oder, wie hier auf, auf die gegebenen urbanen Strukturen aufbaut.
Das Stadtzeichen Projekt bedarf, der Name gibt es her, der urbanen Landschaft. Übrigens auch in technischer Hinsicht. Eine hinreichend genaue Platzierung der Markierungen wäre, zumindest für uns, die wir nicht Zugang zu cm-genauem GPS hatten, unmöglich gewesen, wenn wir uns nicht an Hand der städtischen Strukturen hätten orientieren können. Darüber hinaus funktioniert das Zeichen, weil mit seinem Umriss die Stadt als ein Metaorganismus gelesen werden kann. Das ist auch ein romantischer Ansatz, meine ich. Eine Romantik der Stadt. Ich fand Städte immer schon romantischer als das Land.
Sie sagten das Projekt Stadtzeichen wird fortgesetzt. Wie geht es weiter?
— Ähnliche Zeichen in anderen Städten, auch im Ausland, sind geplant. Wann und wo aber das nächste Projekt läuft steht zurzeit noch nicht fest.